Pubertäres Verhalten erfordert oft gute Nerven von Eltern

|   Schuljahr 12/13

„Auf der Baustelle Pubertät sind Eltern mal Stütze, mal Kampfpartner“

Freitagabend, eine Party steigt im Nachbarort: Der Vater fährt seine Teenager-Tochter dorthin. Kurz bevor sie aussteigt, dreht sie sich noch mal um, lächelt den Papa an und fragt: „Darf ich heute bis um 24 Uhr bleiben? Ausnahmsweise?“ Der Vater ist überrumpelt, er muss sofort entscheiden, kann sich nicht mehr mit seiner Frau absprechen und erlaubt schließlich das längere Ausgehen, weil der ältere Bruder auch auf der Party ist.
Jugendliche im Alter zwischen 11 bis 17 Jahren sind in einem - aus Elternsicht - schwierigen Alter. Gebhard Häußer, selbst Vater von drei Kindern und Lehrer an der Holderbergschule, umschrieb diese Phase in seinem Vortrag mit dem Begriff der „Baustelle Pubertät“. „Während der Bauphase sieht es schon mal unaufgeräumt aus, alles entsteht neu. Das Ergebnis nach drei bis vier Jahren Pubertät ist eine hervorragende Persönlichkeit“, umriss der Referent den zeitlichen Bogen, mit dem sich Eltern während der Entwicklungszeit des Jugendlichen beschäftigen müssen. „So was kenne ich: Meine Tochter steckte neulich in Begleitung ihrer Freundin nur den Kopf durch die Tür und sagte: Ach übrigens, ich übernachte heute bei meiner Freundin. Ist doch ok, oder? Und schon war sie weg“, so der Erfahrungsbericht einer Mutter während des Austausches im Plenum. Das Kopfnicken in den Reihen der Zuhörer ließ vermuten, dass solche Handlungen von Teenagern auch in den anderen Familien vorkommen.
„Mein Kind im Teeniealter – Bedürfnisse und Erwartungen an uns Eltern“, lautete der Titel des Vortrags, zu dem 25 Eltern gekommen waren. Weitere 50 Eltern waren zum sechsten Pädagogischen Samstag an der Holderbergschule erschienen, um sich von den Referenten Ricarda Abrell, Peter Alexandrowitsch, Karina Radünz, Karin Ziegler, Kristin Hermann, Liane Michel und Gebhard Häußer am Wochenende über Themen zu informieren, die den Eltern unter den Nägeln brennen. Neben erhellenden Vorträgen und Tipps im Umgang mit pubertierenden Jugendlichen ging es um Informationen über das Fach Jonglieren und wie das Kind dabei das Lernen lernt, über Geschwisterliebe und den Umgang mit Konflikten und Stressfaktoren.
Die Beschäftigung mit dem Thema der Pubertät beleuchtete Gebhard Häußer von der Seite der körperlichen, psychischen und geistigen Entwicklung, der Suche nach eigener Identität und der Entwicklung des Glaubens. Forscher haben entdeckt, dass die Pubertät heute früher beginne als noch vor 20 Jahren, weshalb Eltern die eigene Zeit der Pubertät nicht mit der heutigen vergleichen sollten. Eine der Ursachen sehen sie in den neuen Medien und dem Wandel der Gesellschaft. Während bei Mädchen die Phase der Pubertät schon ab 10 Jahren beginnen kann, starte diese Phase bei Jungen ab 11 bis 12 Jahren. Besondere Schwierigkeiten seien bei den Frühentwicklern zu erwarten. „Gerade die Mädchen können ihre Rolle als Frau und die körperlichen Veränderungen nicht annehmen, im schlimmsten Fall führt dies zur Magersucht. Spätentwickler haben oft das Problem, dass sie noch lange sehr kindlich bleiben, was dazu führen kann, dass sie als Klassenclown wahrgenommen werden“, erklärte Häußer.
Auch Lernschwächen können mit der Pubertät entstehen. In der Zeit der Pubertät erlernen Jugendliche das Argumentieren - nicht immer zur Freude der Eltern, weiß Gebhard Häußer. Eltern sollten sich klar machen, dass dieses Argumentieren ein Schritt auf dem Weg zum Finden eigener Werte und Identitäten hin sei. „Sie sind mal Stütze, mal Kampfpartner auf der Baustelle Pubertät“ beschrieb Gebhard Häußer das Spannungsfeld, in dem Eltern in dieser Zeit stehen.
Zur körperlichen Entwicklung gehöre die ganze Palette von verhüllender Kleidung, Pickeln, vermehrtem Schwitzen und Kräftezuwachs gerade bei den Jungen, Müdigkeit, niedrigem Blutdruck und Gliederschmerzen bis hin zum Körperkult. Letzterer müsse von Eltern kritisch beobachtet werden, damit aus der Auseinandersetzung mit der eigenen Körperwahrnehmung kein Schlankheitswahn werde.
„In all diesen Entwicklungen gibt es keine schnelle Hilfe. Wichtig ist, dass Eltern in dieser Phase Verständnis für das Kind haben, ihm zuhören, Spannungen aushalten und kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie auf besprochene Regeln und deren Einhaltung bestehen“, betonte Häußer. „Als Eltern sind Sie die größten Vorbilder für ihre Kinder“, weiß der Pädagoge „auch wenn Ihre Kinder das niemals zugeben würden beziehungsweise im Augenblick gar nicht so wahrnehmen.“ Bei der Annahme der eigenen Sexualität könne man das Kind unterstützen. Ein Mädchen guckt sich bei der Mutter ab, wie man „Frau“ ist. Es brauche aber auch den Vater, der seiner Tochter bestärke, dass es gut sei, Mädchen zu sein. Umgekehrt gelte das gleiche für den Sohn. „ Auch hier kann die Mutter zum Beispiel den Jungen bestätigen, indem sie ihn für seine Stärke lobt und Hilfe bei ihm erbittet, zum Beispiel beim Tragen von Wasserkästen“.
Für die psychische Entwicklung sei es für das Kind wichtig, die eigene Identität zu finden. Während der Suche nach eigener Identität bestehe die Möglichkeit, in die Kinderrolle zurückzufallen, Flucht in spezielle Hobbys anzutreten oder neue Erfahrungen zu riskieren. Wie gut die Identitätssuche gelinge, hänge sehr von Faktoren wie Persönlichkeitsstruktur, Elternhaus und sozialem Umfeld ab.
Der Pädagoge ermutigte die Eltern, die Kinder bei der Suche nach eigenen Werten zu unterstützen. „Sprechen sie mit den Kindern über ihre Werte, leben sie ihnen diese Werte vor“. Hilfreich sei es, das eigene Kind zu beobachten, was es gut könne. Darin müssten Eltern ihre Kinder bestärken. Zum Schluss dankte Häußer den Eltern für ihren Einsatz von Liebe, Zeit und Kraft in der Erziehung und war sich sicher, dass einmal - eben oft erst als Erwachsene -  auch die Kinder selbst ihren Eltern dafür danken würden.

Pädagogischer Samstag für Eltern 2013
Beim Pädagogischen Tag für Eltern informierten sich 77 Eltern bei den Vorträgen. Unter anderem ging es um den Umgang mit Stressfaktoren, Geschwisterliebe, dem praktischen Hinweisen, wie man das Lernen lernt und über die Erwartungen und Bedürfnisse von Teenies und Eltern. Zur „Baustelle Pubertät“ referierte Gebhard Häußer.