"Mein Kind, das Smartphone und ich" - Informationsveranstaltung für Eltern und Lehrkräfte über die Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen

Erstellt von Andrea Kluth |

„Ich habe mich bei Ihnen sehr wohl gefühlt!“, so verabschiedete sich die Referentin Mira Pohle-Schmidt nach dem Informationsabend zum Thema „Mein Kind, das Smartphone und ich“, zu dem die Holderbergschule am Montag, 11. März ins Bürgerhaus in Eibelshausen eingeladen hatte. Gut zwei Stunden hatte die Medienschutzbeauftragte und Lehrerin für Deutsch und Biologie an der Gesamtschule Gießen Ost einem kleinen, aber sehr interessierten Kreis von Eltern und Lehrkräften verschiedene Facetten der Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen aufgezeigt und auch Anekdoten aus ihrem Familienleben zum Thema eingestreut. 
Gleich zu Anfang räumte die Referentin mit den Katastrophenmeldungen: „Alles wird immer schlimmer“ und „Wir verlieren unsere Kinder“ in Bezug auf deren Mediennutzung auf. Das einseitige „Jugendbashing“ sei nicht angebracht, wie verschiedene seriöse Studien zeigten. Verwiesen wurde auf die KIM-Studie 2022, für die Kinder zwischen 6 und 12 Jahren und deren Eltern befragt wurden. Auch die JIM-Studie wird jährlich durchgeführt. Für die Erhebung 2023 wurden 1200 Schülerinnen, Schüler sowie Studierende und Azubis zwischen 12 und 19 Jahre zu ihrer Mediennutzung befragt. Anhand einzelner Parameter konnte Frau Pohle-Schmidt ein differenziertes Bild vermitteln. So lesen Kinder heute nicht weniger als vor der Pandemie – einer dem „Homeschooling“ geschuldete Hochzeit der digitalen Mediennutzung: immerhin 35 % der Befragten gaben an, regelmäßig Bücher zu lesen. Auch die tägliche Zeit am digitalen Bildschirm ist seit 2013 nur leicht angestiegen – mit knapp drei Stunden pro Tag im letzten Jahr. Hierbei müsse man berücksichtigen, dass Computer und das Internet zunehmend auch für schulische Zwecke eingesetzt würden und sich die „Bildschirmzeit“ somit automatisch erhöhe. Zudem würden die Jugendlichen heutzutage weniger klassisch fernsehen, sondern Filme und Serien streamen.
Die KIM-Studie 2022 zeigt ein etwas düsteres Bild. Drei Apps mussten in der Studie berücksichtigt werden, obwohl sie nicht für Kinder unter 12 Jahren freigegeben sind. Rund ein Viertel der 12 bis 13-Jährigen gaben an, regelmäßig zu zocken – und zwar Jungen genauso wie Mädchen. Zu den beliebtesten Computerspielen gehörten erwartungsgemäß Mindcraft, Fifa und Fortnite. Bedenklich sei, dass 45 % der Kinder und Jugendlichen Spiele nutzen, für die sie eigentlich zu jung sind. Auch würde diese Gruppe mit Bildern und Videos konfrontiert, die sie verstören – beispielsweise im Bereich Pornografie und Krieg. Ein Ratschlag der Referentin: „Bleiben Sie für Ihre Kinder immer ansprechbar. Nehmen Sie Ihrem Kind nicht einfach das Handy weg, weil so die Vertrauensbasis gestört werden kann und Ihr Kind mit seinen Onlineproblemen dann nicht mehr zu Ihnen kommt. Das Handy ist ein wichtiger Teil im Leben der Kinder und Jugendlichen.“
Eine weitere Studie beschäftigt sich mit dem Lesen im 21. Jahrhundert. Es sei unumstritten, dass die Lesekompetenz den Schulerfolg nachhaltig beeinflusse und zum Beispiel zur Erfassung von komplexen Texten im Fachunterricht benötigt wird. Aber auch das Lesen von Büchern zur Unterhaltung trage maßgeblich zur Entwicklung der Lesekompetenz sowie der Erweiterung des Horizonts durch das Eintauchen in andere, fremde Welten bei. Es sei somit bedauerlich, dass die Lesefreude laut der Studie seit 2009 deutlich abgenommen habe. 
Im zweiten Teil des Abends beantwortete Mira Pohle-Schmidt die Frage: „Was macht das Internet so attraktiv für Jugendliche?“ Hier spielen die Begriffe „Hass – Sucht – Glück“ eine große Rolle. Unter „Hass“ fallen beispielsweise „Bodyshaming“ durch andere User, die Verbreitung und Verherrlichung von „Gewalt“ sowie „rechtsradikales Gedankengut“. Unter dem positiv besetzten Begriff „Glück“ lassen sich viele Dinge zusammenfassen: „Wertschätzung“ durch die Gemeinschaft, die Erfahrung von beglückender „Transparenz“ in Computerspielen (Was muss ich tun, um auf das nächste Level zu kommen?), „Ausbruch“ aus der negativ empfundenen realen Welt, bzw. Erleben fremder Welten, die im wirklichen Leben nicht bereist werden können und vor allem das Erleben von „Gemeinschaft“ in Online-Spielen oder in den sozialen Medien, wie beispielsweise durch das über Tik Tok bekannt gewordene  „Wellerman-Lied“ zum Mitmachen.  
Nicht zu leugnen sei, so die Referentin, dass die Nutzung der digitalen und sozialen Medien zum Zeitfresser werden können, womit zum dritten Begriff „Sucht“ übergeleitet wurde. „Von Sucht spricht man, wenn der Leidensdruck bei Entzug sehr groß ist, wenn es körperliche Entzugserscheinungen gibt und wenn die sozialen Kontakte verloren gehen“, so die Referentin. Wie kann man nun mit den Kindern und Jugendlichen über das Thema „Sucht“ sprechen und verhindern, dass es zu Suchtverhalten kommt? Hier nahm Frau Pohle-Schmidt die Eltern in die Pflicht: „Das eigene Beispiel macht Sie glaubwürdig. Vereinbaren Sie zum Beispiel einen medienfreien Tag mit ihren Kindern, an den auch Sie sich halten. Überdenken Sie Ihr eigenes Medienverhalten: Wie oft sehen Sie auf das Handy? Wo liegt das Handy beim gemeinsamen Essen in der Familie, beim Treffen mit Freunden? Wie verhalten Sie sich in Chatgruppen? Fragen Sie Ihr Kind, ob es fotografiert werden möchte, in dieser Situation?“ Letztendlich laufe eine Verständigung zwischen Eltern und Kindern auf eine Kompromisslösung hinaus. Zudem sollten die Eltern am Leben ihrer Kinder teilhaben und offen und ehrlich über ihre eigenen Erfahrungen sprechen. Ein gemeinsames Zocken oder Anschauen von Filmen sei auch eine gute Möglichkeit der Verständigung. Ganz wichtig sei das Aufzeigen von sinnvollen Alternativen zum Medienkonsum: Neben dem Lesen sind das Gruppenaktivitäten in der realen Welt, wie Sport, Musik und Kochen beispielsweise.
Abschließend wies die Referentin auf die Internetseiten von „Klicksafe“ und „internet-abc“ hin, auf denen es viele alltagstaugliche Ratschläge gibt sowie aktuelle Informationen über „challenges“ und gesetzliche Regelungen zum Thema „digitale Medien“. 
Der Schulleiter Patrick Zapf bedankte sich abschließend bei Frau Pohle-Schmidt für den interessanten und kurzweiligen Vortrag. Die Eltern und Lehrkräfte fühlten sich sehr gut informiert und wissen nun, wo sie sich weitere Informationen einholen können.

Hier sind die Links zu den im Bericht angesprochenen Internetseiten bzw. Studien.

JIM-Studie 2023 (mpfs.de)
KIM-Studie 2022 (mpfs.de)
PISA2018_Lesen_DEUTSCHLAND.pdf (oecd.org)
klicksafe.de: Die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz
Startseite des Internet-ABC | Internet-ABC

Die Medienschutzbeauftragte Mira Pohle-Schmidt informierte Eltern und Lehrkräfte über die Nutzung digitaler Medien von Kindern und Jugendlichen.
Der Schulleiter Patrick Zapf bedankte sich für einen informativen und kurzweiligen Abend.