Lehrer und AGGAS informierten Eltern beim Pädagogischen Tag Genau Hinschauen beim Modethema Mobbing: „Nicht jeder Streit ist Mobbing“

|   Schuljahr 11/12

In der Schule verschwinden Stifte, Lineal, Radiergummis von Thomas (Name von der Redaktion geändert), bei Gruppenarbeiten will niemand mit ihm zusammenarbeiten. Er wird beleidigt, seine Mitschüler schreiben Zettelchen, auf denen steht, dass Thomas doch sowieso doof sei. In den Pausen steht er alleine und beim Fußball spielen lässt man ihn einfach nicht mitmachen. „Dich wollen wir hier nicht“, rufen ihm einige Mitschüler hinterher.
Das erfundene Beispiel kommt so oder ähnlich an vielen Schulen vor: Wenn ein Kind unter lang dauernden Hänseleien leidet, einen Dauerkonflikt mit Mitschülern hat und diese ihre Handlungen vorsätzlich ausüben , wenn ein Kind erniedrigt, gedemütigt wird, wenn gewalttätiges Handeln hinzu kommt und diese Handlungen in einer Gruppe ausgeübt werden, dann hat man es mit dem Phänomen des „Mobbings“ zu tun, erklärte Karina Radünz beim Pädagogischen Tag für Eltern in der Holderbergschule.
Am Wochenende informierten die Lehrer Mechthild Koch, Karina Radünz, Kristin Hermann und Gebhard Häußer sowie Herr Schormann von der AGGAS-Dillenburg über Themen, die den Eltern unter den Nägeln brennen. Neben dem informativen Vortrag über Mobbing, seine Ursachen und Interventionsmodelle standen Berufsvorbereitung, Gefahren der Nutzung neuer Medien und Chancen und Werte christlicher Erziehung auf dem Stundenplan der Erwachsenen.
Der Einwand einer Mutter bewegte wohl auch die anderen Zuhörer des Mobbing-Seminares: Es sei oft schwer zu sagen, wo Mobbing anfange und wo die Grenze zum „normalen „Streit“ sei. Gerade deshalb sei die Zusammenarbeit zwischen Eltern, Mitschülern und Lehrern so wichtig, betonten die Referentinnen, Schulmediatorin Kristin Hermann und Schulseelsorgerin Karina Radünz. Allerdings warnten sie die Zuhörer auch vor Übereifer: „Nicht jeder Streit ist Mobbing“, betonte Karina Radünz, doch gebe es auch eindeutige Kennzeichen, wie ein extremes Machtungleichgewicht. Aus eigener Kraft können Betroffene das Mobbing nicht beenden. Erschreckend für die Zuhörer war die Erkenntnis, dass die Ursache für Mobbing vielfach Entertainment sei. „Für viele Jugendliche ist es ein Spaß“, brachte es Karina Radünz auf den Punkt. Auch Rache, Machtgefühl über andere und den Drang, sich etwas beweisen zu müssen, spielten eine Rolle. Die Täter seien nicht immer die Selbstbewussten, sondern diejenigen, die erlebte Misserfolge kompensierten. Auch ein Mangel an Freunden und Gruppenzwang seien Gründe für Mobbing. „Manche Jugendliche habe auch nie gelernt, wie man Konflikte löst“, gab die Referentin zu bedenken.
Eher selten seien die Ursachen im Bereich Fremdenfeindlichkeit, Neid und Rassismus zu suchen. Um Mobbing zu erkennen und dem eigenen Kind möglichst rasch helfen zu können, sei es hilfreich, die Phasen des Mobbings zu kennen: In der ersten Phase seien es ständig sich steigernde Gemeinheiten („Deine Schuhe sind hässlich“). Die „Möglichmacher“ sorgten erst dafür, dass Mobbing stattfinden könne: Gemeint seien damit diejenigen, die zwar sehen, das ein Betroffener gemobbt wird, die aber schweigen. „ Gerade bei Schülern ist das ganz schwierig. Niemand will als Petze dastehen. Das kann sogar eine ganze Klasse betreffen“, betonten Radünz und Hermann. Leider gehörten zu den Möglichmachern auch Lehrer, denen neben dem Vermitteln von Lernstoff oft die Zeit fehle, solche Probleme in der Klasse aufzuarbeiten.
In der dritten Phase befinde sich das Opfer in einer beklemmenden Situation: Betroffene kommen nicht mehr aus der Opferrolle heraus, fragen sich, woran das liegt und geben sich selbst die Schuld an dem Zustand. Zu Hause treten dann auch oft körperliche Beschwerden auf, wie Kopf- und Bauchschmerzen . „Wenn ihr Kind häufig solche Beschwerden hat, klären sie ab, ob es organische Ursachen hat. Ist dies nicht der Fall, kann es ein Hinweis auf Mobbing sein“, sensibilisierte Radünz die Zuhörer. In der vierten Phase stehe der Ausschluss des Kindes aus dem Klassenverband.
Unterschiede im Mobbingverhalten gebe es Schulform- und geschlechtsabhängig. „Mädchen mobben subtiler und indirekt, Jungen dagegen direkt und aggressiv“, so die Referentinnen.
Auch die Mobbing –Handlungen lassen sich zu unterscheiden. Es gebe körperliche Attacken, die meist beim Eingreifen des Lehrers mit dem Schülerspruch „Ist doch nur Spaß“ kommentiert und entschuldigt werden. „Schwierig wird es an der Stelle, wenn der Spaß immer nur ein und derselbe Betroffener abbekommt“, weiß Kristin Hermann. Permanentes Nachäffen, Augenrollen und  Tuscheln gehören zu den nonverbalen und psychischen Angriffen.
Daneben gebe es auch Angriffe auf soziale Beziehungen (aus dem Klassenverband ausgrenzen) und Sachbeschädigung( Sportschuhe oder Tasche verschwinden)
Ein großes Feld sei auch das Cyber-Mobbing im weltweiten Netz.
Signale für Mobbing seien zum einen Verhaltens-Veränderungen, Leistungsabfall, die Suche von Nähe und Schutz, Schulverweigerung und hohe Fehlzeiten sowie körperliche und psychische Veränderungen eines Kindes.
An der Holderbergschule versucht man mit verschiedenen Präventionsmodellen wie der Mediation in Klasse fünf solchem Verhalten entgegen zu wirken.
Auch das Programm des „No blame approach“ hat das Beenden von Mobbing zum Ziel. Dabei gehe es nicht um Schulzuweisungen oder Sanktionen der Täter, sondern darum, dass eine Unterstützergruppe für das Opfer gebildet wird. In dieser Gruppe befinden sich auch diejenigen, die als Täter in Erscheinung treten. Für die Betroffenen ist es oft nicht leicht, über das Mobbing zu sprechen. Neben der Schulseelsorge gibt es auch das SOS-Team (Schule ohne Stress) an der Holderbergschule, die beide als Ansprechpartner für Mobbingopfer zur Verfügung stehen.

Pädagogischer Samstag für Eltern 2012
Karina Radünz und Kristin Hermann (im roten Pulli) informierten die Eltern über die Ursachen und Interventionsmöglichkeiten von Mobbing.